Ein Amokläufer und die Otterndorfer Gassenordnuing

Deftige Kost vor der Hochzeitssuppe Ortsheimatpfleger Heiko Völker tischte den Mitgliedern des SPD-Ortsvereins, die sich zum alljährlichen Zelebrieren des Hochzeitssuppenessens zahlreich im Otterndorfer Gasthaus Zur Schleuse eingefunden hatten, Vergangenheitsszenarien auf, die es in sich hatten.

Ortsheimatpfleger Heiko Völker (r.), OV-Vorsit-zender Peter von Spreckelsen (l.), Ogani-satorin Magdalena Petersen, M.

Dass ein Amoklauf des Jahres 1906, dazu noch in Ihlienworth-Westerende und Umgebung, den identischen Verlauf genommen hat wie derartige Ereignisse unserer Tage, rief ob dieser wahren Begebenheit Erstaunen hervor. Akribisch hatte Heiko Völker den im Kreisarchiv dokumentierten Taten des Amokläufers Schmidt mit 3 Toten und etlichen Verletzten nachgespürt – bis zum finalen Schuss, mit dem sich der Täter am Ende selbst richtete.

Als gänzlich anders gelagert erwies sich jener Erlass von vor 250 Jahren, der sich die „Otterndorfer Gassenordnung“ nannte. Den Dokumenten im Kreisarchiv zufolge müssen zur genannten Zeit die engen Gassen der Medemstadt von Dreck und Unrat nur so übersät gewesen sein: Kinder verrichteten ihre Notdurft auf der Straße, Erwachsene hinter dem hauseigenen Misthafen am Straßenrand. Die Kloake floss munter die offenen Gossen entlang und weil diese vor den Häusern angelegt waren, errichteten deren Bewohner nicht selten just an der Gosse ihren Abort, der „Stube“ genannt wurde. Straßen erwiesen sich als übel stinkende innerstädtische „Adern“, wie Heiko Völker herausgefunden hatte.

Um Abhilfe zu schaffen, wurde vom Otterndorfer Magistrat die Gassenordnung erlassen, die jedoch wenig Interesse bei den Bewohnern fand. Erst 1788, so hatte der Ortsheimatpfleger herausgefunden, schritt der Stader Landdroste mit einer Neuauflage der Gassenordnung ein, denn die „Kloake Otterndorf“ war zu einem Gesundheitsproblem geworden.

Dieser, den Gegebenheiten der Vergangenheit entnommene und dokumentierte Sachstand rief sichtbares Erstaunen unter den Gästen des Abends hervor und erwies sich als fruchtbarer Gesprächsstoff. Dann aber wurde sie aufgetischt – die Hochzeitssuppe mit den akkurat gedrehten Mettbällchen und der allseits beliebten, traditionsreichen Speisefolge. Der Ortsheimatpfleger wurde an diesem rundum gelungenen Abend mit viel Applaus und einem edlen Tropfen verabschiedet.