


Den Ortsvereinen Land Hadeln und Am Dobrock war es gelungen, den Bestseller-Autor zu einer Lesung nach Cadenberge ins dortige MarC 5 einzuladen.
Norbert F. Pötzl ging weit über die Charakteristik einer Lesung hinaus. Denn viele persönliche Begegnungen mit dem einstigen DDR-Staranwalt und mit Politik-Größen hüben wie drüben, darunter Erich Honecker, den Pötzl bei dessen Ausreise nach Chile begleitete, Helmut Schmidt, Herbert Wehner und viele andere ließ dieser in seine Erzählungen außerhalb der Lesung einfließen. Und so erlangte das schwierige Kapitel deutsch-deutscher Geschichte ein Höchstmaß an Authentizität.
Pötzl, der 1992 Vogel persönlich kennen gelernt hat, erhielt als Erster Zugang zu dessen Privatarchiv. Zudem nutzte er weitere Archive, darunter das von Herbert und Greta Wehner. Am Ende dürften die meisten Gäste dieser Veranstaltung zu einem anderen Urteil über Wolfgang Vogel gekommen sein. Denn sein Handeln hatte vielfach Argwohn geschürt. Ihm war nach dem Mauerfall das Etikett „Stasi-Spitzel“ angeheftet worden, zudem sah er sich Vorwürfen der Bereicherung durch zurückgelassenes Hab und Gut einstiger DDR-Bewohner ausgesetzt. In allen Fällen, hin bis zum BGH, wurde Vogel freigesprochen.
Menschenschicksale
Keine andere Persönlichkeit hat sich seit den späten 1950er Jahren bis zum Mauerfall 1989 derart um Menschenschicksale bemüht, wie Wolfgang Vogel. Hinter dem „Eisernen Vorhang“ fädelte der Rechtsanwalt mehr als 250.000 Familienzusammenführungen mit dem Ergebnis der Ausreise in den Westen ein und war maßgeblich an der Entlassung von fast 34.000 politischen Häftlingen beteiligt. Zudem stellte er die Weichen für den Austausch von 150 Agenten aus 23 Ländern. Damit verhalf er der Glienicker Brücke in Berlin zu Weltruhm, weil auf dieser deutsch-deutschen Querung über die Havel die spektakulärsten Fälle ihren Abschluss fanden. Allein um die Freilassung des sowjetischen Dissidenten und Regimekritikers Anatol Schtscharanski hatte Vogel sich 9 Jahre lang bemüht, bevor dieser die Glienicker Brücke Richtung Westberlin überqueren konnte.
Wolfgang Vogel sei Bindeglied zwischen Bonn und Ostberlin gewesen, so Pötzl, denn in den 50er und 60er Jahren „war die DDR als Staat für die Bundesregierung praktisch nicht existent. Humanitäre Angelegenheiten seien anwaltlich geregelt worden, „um den Anschein beizubehalten, die DDR nicht anzuerkennen.“ Dies sei erst 1969 mit der sozialliberalen Koalition in Gang gekommen. Vogel sei ein geschätzter Unterhändler gewesen, „Honecker, Schmidt und Wehner haben ihm vertraut, er war Pendel-Diplomat zwischen Berlin und Bonn.“
Eine Art Helfersyndrom entwickelt
In seinen Ausführungen räumte Pötzl mit einem Vorurteil auf: Inhaftierte freizukaufen sei keine DDR-Initiative gewesen, vielmehr habe man sich dort mehr für Tauschgeschäfte interessiert. Die hohen Zahl inhaftierter DDR-Bürger im Vergleich zu Westdeutschen habe letztlich auf bundesrepublikanischer Seite den Freikauf hervorgebracht. Diese Gelder seien für die DDR jedoch nicht existenzerhaltend gewesen, „Strauß‘ Milliardenkredit und die Transfergebühren waren deutlich wichtiger“, so Pötzl.
Vogels Beweggründe für dessen unermüdlichen humanitären Einsatz sei keinesfalls das Verlangen nach Glorifizierung gewesen. Als gläubiger Katholik mit entsprechender Erziehung durch das Elternhaus habe sich bei ihm eine Art Helfersyndrom entwickelt. Selbstbestimmend eine wichtige Funktion auszufüllen, habe ihn, der von Wagemut, Abenteuerlust und Schlagfertigkeit geprägt war, getragen.
Norbert Pötzls Buch „Mission Freiheit“, das sich wie ein Agententhriller liest, ist im Heyne-Verlag erschienen. ISBN 978-3-453-20021-0