150 Jahre SPD

Der Geburtsort war eine Gaststätte mit Ballsaal

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem heutigen Tag, dem 24. Mai, kommen wir der bewegenden Geburtsstunde vor 150 Jahren ganz nah. Die Geschichte schreibt den 23. Mai 1863. Statten wir an diesem Tag dem Leipziger Pantheon, der Gaststätte mit Ballsaal, zudem einer der ältesten Versammlungsorte der Arbeiter, einen Besuch ab.

Und dort begegnet er uns – Ferdinand Lassalle. Soeben hat er den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gegründet. Auf diesen Tag nun beruft sich ihre Nachfolgerin – die SPD. 6 Jahre später, 1869, sind es August Bebel und Wilhelm Liebknecht, die in Eisennach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gründen.

Im Mai1875 schließen sich während des Parteitags in Gotha beide Bewegungen zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammen. Als dann im Herbst 1890 das Sozialistengesetz außer Kraft tritt, ändert die Partei ihren Namen und nennt sich fortan Sozialdemokratische Partei Deutschlands – SPD.

Lassen Sie uns die Vorgeschichte beleuchten: Tendenzen hin zu einer eigenständigen Arbeiterbewegung hatte es schon während der Revolution von 1848/49 gegeben. Seinerzeit bildeten sich der Bund der Kommunisten und die Allgemeine Arbeiterverbrüderung.

Der Kommunistenbund wurde von der Obrigkeit zerschlagen; die Arbeiterverbrüderung fiel dem Verbot politischer Vereine durch den Deutschen Bund im Jahr 1854 zum Opfer. Neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffneten sich erst zu Beginn der 1860er Jahre, denn die Reaktionsära – jene obrigkeitsstaatliche Unterdrückung aller oppositionellen Bewegungen in den deutschen Staaten – ging endlich zu Ende.

Nun entstanden Arbeiterbildungsvereine, zum Teil von liberalen und demokratischen Politikern gefördert. Aus dem Umfeld dieser Arbeitervereine kamen die entscheidenden Impulse für die Gründung einer eigenen Arbeiterpartei.

Widmen wir uns Ferdinand Lassalle. Im Rheinland war er aktiver Teilnehmer der Revolution von 1848/49, zudem Weggefährte von Karl Marx und Friedrich Engels. Er war – wie diese – Jurist und somit Teil des Bildungsbürgertums. Der Arbeiterbewegung wandte er sich Anfang der 1860er Jahre vor allem aus der Kritik am zeitgenössischen Liberalismus zu.

Im Frühjahr 1862 begann Lassalle in Versammlungen über den besonderen Zusammenhang der damaligen Geschichtsperiode mit der Profilierung des Arbeiterstandes zu referieren. Aus seinen Darlegungen erwuchs das erste Arbeiterprogramm. Den Behörden ein Dorn im Auge, wurde es beschlagnahmt.

Vor dem Hintergrund der Auflösung des preußischen Parlaments im Jahr 1862 erarbeitete er eine Schrift über das Verfassungswesen und forderte die Durchsetzung eines allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts. Daraufhin wurde Lassalle erstmals der Prozess gemacht. Dessen Argumentationen aber fanden ihren Widerhall in den gerade entstehenden Arbeiterbildungsvereinen.

Beleuchten wir nun einen weiteren politischen Schauplatz: Die historische Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie, zu der Verfolgungen und Repressionen vor allem unter der Reichskanzlerschaft Otto von Bismarcks gehörten – Stichwort Sozialistengesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Diese Umstände führten dazu, dass die Parteistruktur der SPD sich intensiv entwickelte und hohe Effizienz erlangte.

Der riesigen Bevölkerungsgruppe der Arbeiter wohnte durch die kritische soziale Lage ein hohes politisches Potenzial inne. Die SPD wurde zur mitgliederstärksten Partei in Deutschland. Trotz Verfolgung und Unterdrückung während der Bismarck-Ära gewann sie – unter anderem wegen ihrer Gewerkschaftsnähe – immer mehr an Einfluss bei den Arbeitern und somit auch im Reichstag.

Unmittelbar nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes kam die SPD im Jahr 1890 bereits auf knapp 20 Prozent der Stimmen, womit sie erstmals die wählerstärkste Partei im Reich war. 1912 wurde sie mit 34,8 Prozent und 110 Abgeordneten zur stärksten Fraktion im Reichstag.

Meine Damen und Herren: Der Erste Weltkrieg brach über die Menschen herein und erschütterte die Grundfesten Europas. Mit der Novemberrevolution 1918 wurde das Kaiserdeutschland in die Vergangenheit katapultiert, die Weimarer Republik nahm Konturen an.

Den Übergang von der Monarchie zur Demokratie bereitete der Rat der Volksbeauftragen mit dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert an der Spitze vor. Dieser führte am 30. November 1918 das Wahlrecht für Frauen ein, so dass sie erstmals bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ihr Wahlrecht nutzen konnten. Friedrich Ebert wurde erster Reichspräsident. Dessen Amtszeit endete mit seinem viel zu frühem Tod im Jahr 1925.

Die junge Weimarer Republik brachte zudem 3 sozialdemokratische Reichskanzler hervor, deren kurze Amtszeiten ein Indiz für die Unruhe und Zerrissenheit in jenen Jahren war. Vom 13. Februar bis 20. Juni 1919 war Philipp Scheidemann Kanzler der ersten republikanischen Reichsregierung.

Ihm folgte Gustav Bauer vom 21. Juni 1919 bis zum 27. März 1920 als Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus SPD, Zentrum und DDP. Abgelöst wurde er von Hermann Müller, der bis zum 21. Juni 1920 an der Spitze der Koalitionsregierung blieb.

Nach ihrer Gründungsphase lässt sich die Geschichte der Weimarer Republik in drei Abschnitte gliedern. Die Krisenjahre von 1919 bis 1923 (Stichwort Reparationszahlungen) waren geprägt von den unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation sowie zahlreichen Umsturzversuchen und politischen Morden.

Zwischen 1924 und 1929 erlangte sie dann eine relative Stabilität. Wirtschaftlicher Erfolg stellte sich ebenso ein wie die außenpolitische Anerkennung und Wertschätzung. Die Weltwirtschaftskrise Ende 1929, Koalitionsbruch im März 1930 und der Aufstieg der Nationalsozialisten bereiteten ihr schließlich den Untergang.

Die Weimarer Verfassung galt in ihrer Zeit als eine der fortschrittlichsten überhaupt. Nach der Märzrevolution von 1848 war sie der zweite – und diesmal erfolgreiche – Versuch, eine liberale Demokratie in Deutschland zu etablieren.

Nach dem Tod des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert ging das Amt 1925 auf Paul von Hindenburg über, einem ausgesprochen konservativen Nachfolger, der der republikanischen Staatsform betont kritisch gegenüber stand.

Verweilen wir, sehr geehrte Damen und Herren, bei Friedrich Ebert. Am 04. Februar 1871 in Heidelberg geboren und am 28. Februar 1925 mit nur 54 Jahren in Berlin gestorben, prägten ihn u.a. die Bremer Jahre – 14 an der Zahl – von 1891 bis 1905. Hier machte sich der gelernte Sattler als Sozialdemokrat mit Führungsstärke einen Namen.

Während des 1. Weltkriegs vertrat er nachdrücklich die Politik der Vaterlandsverteidigung und des innenpolitischen Stillhaltens gegenüber jenen Sozialdemokraten, die diese Weg ablehnten.

In der Novemberrevolution 1918 übernahmen die SPD sowie die von ihr abgespaltene USPD die Regierung; Ebert wurde – wie bereits ausgeführt – erster Reichspräsident. Bis 1923 ließ dieser mehrere Aufstände von revolutionären Sozialisten mit Waffengewalt niederschlagen. Auch gegen Putschversuche von rechts ging er 1920 und 1923 entschieden vor. Diese Zwänge politischen Handelns – eingefordert von einer unbarmherzigen Zeit – täuschen nicht darüber hinweg, dass Friedrich Ebert ein Politiker des Interessenausgleichs war.

Schon früh zeichnete er sich mit seinen Reden durch Scharfzüngigkeit, ja, auch Ironie, aus. Sein Markenzeichen war die gründliche Recherche. Im Laufe der Jahre wurde die Sozialpolitik zum eigentlichen Scherpunkt seiner Tätigkeit. Kurz nach Eberts Tod wurde 1925 die SPD-nahe und nach ihm benannte Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet.

Deutschland im Jahr 1933: Das Dritte Reich wird gegründet, 12 Jahre lang ist die Bevölkerung politischen Zwängen und menschenverachtender Willkür ausgesetzt. Hitler und seine NSDAP leisten ganze Arbeit. Neben Millionen Juden werden auch Sozialdemokraten und Kommunisten verfolgt, Unzählige sterben in den Konzentrationslagern.

Aus der Asche des 2. Weltkrieges erstarkt die SPD als alte und zugleich neue, moderne politische Kraft. Stellvertretend sei hier vor allem Willy Brandt genannt, Bundeskanzler von 1969 bis 1974, der für seine Ostpolitik 1971 den Friedensnobelpreis erhielt. „Mehr Demokratie wagen“ war seine Maxime, die bei den Bürgerinnen und Bürgern ankam und der SPD einen gewaltigen Zulauf an Mitgliedern bescherte.

Erfolgreiche SPD-Kanzler waren zudem Helmut Schmidt von 1974 bis 1982 und Gerhard Schröder von 1998 bis 2005. Prägend auch die Jahre mit Sozialdemokraten im höchsten Staatsamt: den Bundespräsidenten Gustav Heinemann von 1969 bis 1974 und Johannes Rau von 1999 bis 2004.